Der ursprüngliche Katalog der von der Patentierung ausgeschlossenen Pflanzensorten und Tierrassen sowie Züchtungsverfahren wurde im Lauf der Zeit von der Rechtsprechung präzisiert und ergänzt. Nicht mehr patentierbar sollen nunmehr auch Zellen sein, die als Endprodukte aus einem rein biologischen Verfahren gewonnen wurden. Klargestellt wird auch der Begriff des “rein biologischen Verfahrens”, wobei nunmehr auch nicht zielgerichtete Mutagenese oder in der Natur stattfindende, zufällige Genveränderungen ausdrücklich als im Wesentlichen biologisch anzusehen sein sollen; solche Erfindungen wären damit nicht mehr patentrechtlich schutzfähig.
Weiters werden zusätzliche Einschränkungen des Patentschutzes vorgeschlagen, die die Nutzung von patentierten Pflanzen im Zusammenhang mit der Züchtung von Pflanzen vom Patentschutz freistellen. Ebenso sollen Pflanzen und Tiere, die durch rein biologische Verfahren gezüchtet wurden, künftig selbst dann nicht vom Patentschutz betroffen sein, wenn sie alle patentrelevanten Merkmale aufweisen.
Schließlich soll in Umsetzung des Nagoya-Abkommens dem Anmelder nunmehr vorgeschrieben werden, im Rahmen der Anmeldung die Herkunft verwendeter genetische Ressourcen sowie des traditionellen Wissens über diese genetischen Ressourcen offenzulegen.
1. Ausnahmen vom Patentschutz (Pflanzensorten, Tierrassen etc.)
Im Detail wären nach diesem Vorschlag für § 2 Abs 2 PatG folgende Erfindungen von der Patentierung ausgeschlossen:
Pflanzensorten und Tierrassen: Das Europäische Patentamt[1] stellte schon im Jahr 1999 klar, dass mit dem Ausschluss der Pflanzensorten und Tierrassen nicht jegliches pflanzliches und tierisches Material vom Patentschutz ausgenommen war, sondern nur Patentansprüche, die sich auf gesamte Pflanzensorten bezogen. Diese Regelung wurde 2005 auch in das österreichische Recht übernommen.[2] Pflanzen sind also nicht schlechthin vom Patentschutz ausgenommen, solange der Patentanspruch nicht genau eine Pflanzensorte schützt. Ein Patent, in dem bestimmte Pflanzensorten nicht individuell beansprucht sind, kann also auch dann schutzfähig sein, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfasst.
Diese Entscheidung erging auch vor dem Hintergrund der Regelung des Ausschlusses von Pflanzensorten: Die Patentierung soll hier nämlich nicht aus ethischen Gesichtspunkten heraus verboten werden, vielmehr geht es um eine Vermeidung eines Doppelschutzes zwischen dem Patent und dem Sortenschutzrecht. Mit der Entscheidung ist eine solche Doppelgleisigkeit ausgeschlossen.
Züchtungsverfahren: Eine weitere Patentierungsausnahme betrifft[3] Züchtungsverfahren. In zwei Leitentscheidungen aus dem Jahr 2010 hat das Europäische Patentamt den Begriff des Züchtungsverfahrens sehr weit ausgelegt, sodass Verfahren schon dann als Züchtungsverfahren gelten, wenn sie einen Schritt enthalten, der vollständig auf natürlichen Phänomenen beruht. Beispielhaft erwähnt der Gesetzgeber etwa Kreuzung und Selektion. Mit der vorgeschlagenen Novellierung soll klargestellt werden, dass auch nicht zielgerichtete Mutagenese oder in der Natur stattfindende, zufällige Genveränderungen unter die Patentierungsausnahme fallen sollen.
Gezüchtete Pflanzen und Tiere: Als Reaktion auf die Ablehnung ihrer Anmeldungen beanspruchten die Anmelder anstelle des Züchtungsverfahrens das erhaltene Endprodukt, also die Pflanze selbst. Dies wurde vom Europäischen Patentamt in einer weiteren Leitentscheidung[4] zunächst als zulässig angesehen. Auf Bestreben einzelner Mitgliedsstaaten des EPÜ wurde diese Entscheidung jedoch insoweit wieder revidiert, als im Jahr 2017 eine gegenteilige Vorschrift[5] erlassen wurde, die “durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnene Pflanzen oder Tiere” ausdrücklich von der Patentierung ausnahm. Der Vorrang dieser Vorschrift war zunächst umstritten, wurde jedoch in einer weiteren Leitentscheidung[6] des Europäischen Patentamts akzeptiert. Österreich, das diese Patentierungsausnahme ebenfalls befürwortete, hat eine analoge nationale Regelung bereits seit 2017.[7]
Zellen gezüchteter Pflanzen und Tiere: Der Ministerialentwurf[8] hat nun zum Ziel, den Patentschutz dahingehend weiter zu beschränken, dass nicht bloß ganze Tiere und Pflanzen, sondern auch schon Zellen solcher Tiere und Pflanzen vom Patentschutz ausgenommen sein sollen. Der Schutz von Erfindungen, die solche Zellen beanspruchen würde damit unzulässig. Dies bedeutet, dass für derartige Anmeldungen keine Patente mehr erteilt werden dürfen und auch bereits erteilte Patente mit Nichtigkeit bedroht wären. Im Ergebnis wäre damit verhindert, dass Pflanzen und Tiere auch nicht über den Schutz einzelner Zellen unter patentrechtlichen Schutz gestellt werden können.
2. Schutzeinschränkungen für Patente
Auch wenn im Einzelfall ein Patent für Pflanzen und Pflanzenbestandteile erhalten werden kann, werden im Gesetz zusätzliche Einschränkungen eingeführt, die bestimmte Handlungsweisen vom Patentschutz ausnehmen sollen. Im Ergebnis könnte in solchen Konstellationen ein an sich gültiges Patent nicht durchgesetzt werden.
Forschungsprivileg: Dabei stellt eine neu vorgeschlagene Vorschrift[9] klar, dass die herkömmliche Entwicklung von Pflanzensorten durch Patente nicht beeinträchtigt werden soll, selbst wenn diese sich auf Pflanzen erstrecken sollten. Hintergrund dieser Vorschrift ist ein eingeschränktes Versuchs- und Weiterentwicklungsprivileg für Pflanzenzüchter. Diese dürfen im Rahmen der Forschung an und Entwicklung von Pflanzensorten patentierte Pflanzen als Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen verwenden, ohne vom Patentschutz betroffen zu sein. Dabei sind sowohl der Akt der Weiterzüchtung wie auch die Nutzung der gezüchteten Sorte nicht vom Patentschutz umfasst.
Im Ergebnis würde damit erreicht, dass ein Züchter – ohne vom Patentschutz betroffen zu sein, eine patentierte Pflanze weiter entwickeln kann und diese zum Ausgangspunkt für die Entwicklung einer eigenen Pflanzensorte nimmt. Diese Pflanzensorte ist dann nicht vom Patentschutz betroffen, Pflanzen können dementsprechend verkauft werden.
Privilegierung unabhängige Züchtungen: Zudem soll eine weitere Schutzeinschränkung[10] auch Pflanzen und Tiere vom Patentschutz freistellen, die zwar vom Wortlaut her unter das Patent fallen, d.h. alle im Patentanspruch spezifizierten Eigenschaften aufweisen, jedoch unabhängig vom patentierten biologischen Material durch biologische Verfahren (Züchtungsverfahren) hergestellt wurden. Kommt also ein Pflanzen- oder Tierzüchter durch unabhängige Züchtung zu einem patentierten Ergebnis, wäre ein solches Ergebnis nicht vom Patentschutz betroffen.
Problematisch bleibt in dieser Konstellation aber die Beweislast: Die vorliegende Vorschrift ist als Patentierungsausnahme konzipiert, d.h. alle Voraussetzungen für das Vorliegen der Ausnahme, insbesondere auch die Umstände der Unabhängigkeit der Entwicklung wären vom Züchter und nicht etwa vom Patentinhaber zu beweisen. Dies führt dazu, dass ein Züchter im Streitfall nachweisen müsste, auf welche Weise seine Entwicklung zustande gekommen ist.
3. Anpassung des Patentrechts an das Nagoya-Protokoll
Eine weitere Anpassung[11] soll das nationale Patentrecht an das Nagoya-Protokoll “über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile” anpassen. Unter einer solchen genetischen Ressource versteht man “jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das
funktionale Erbeinheiten enthält”. Ist nun eine solche “genetische Ressource” Gegenstand einer Patentanmeldung, ist die Herkunft dieser Ressource auch ausdrücklich nennen. Ebenso ist auch traditionelles Wissen, das sich auf eine solche genetische Ressource bezieht, ausdrücklich zu nennen.
Bemerkenswert ist, dass es diese Regelung – zumindest was die Prüfung der Patentanmeldung betrifft – sanktionslos ist. Die Angabe der Herkunft genetische Ressourcen oder traditionellem Wissen wird vom Patentamt nicht geprüft, eine Patentanmeldung kann auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Bezeichnungspflicht zurückgewiesen werden. Nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Richtlinie der EU ist es auch nicht möglich, den ein Patents alleine aufgrund des Umstands zu beseitigen, dass eine Angabe der Herkunft genetischer Ressourcen unterblieben ist.
Der Ministerialentwurf wurde in der vorgeschlagenen Form und in den oben genannten Punkten von diversen interessierten Kreisen, u.a. von der Patentanwaltskammer und der der WKÖ, kritisiert und wurden etliche Änderungen angeregt. Ob und inwieweit diese geänderten Bestimmungen zur Patentierung von Pflanzen und Tieren also kommen werden, ist noch nicht sicher und wird sich in Kürze entscheiden.
[1]GBK-EPA 20.12.1999, G 1/98, ABlEPA 111, 2000.
[2]§ 2 Abs 2 S 3 idF BGBl. I Nr. 42/2005.
[3]GBK-EPA 9.12.2010, G 2/07; GBK-EPA 9.12.2010, G 1/08.
[4]GBK-EPA 25.3.2015, G 2/13 – Broccoli II, ABlEPA 2016, A28.
[5]R 28 AOEPÜ; Beschluss des Verwaltungsrats 29.06.2017, CA/D 6/17, ABlEPA 2017, A56.
[6]GBK-EPA 14.5.2020, G 3/19 – Pepper.
[7]§ 2 Abs 2 S 1 idF BGBl. I Nr. 71/2016.
[8]229/ME XXVII. GP.
[9]229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 3, § 22 Abs 1a PatG idF.
[10]229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 3, § 22 Abs 1b PatG idF.
[11]229/ME XXVII. GP, Art 2 Z 9, § 89 Abs 3 PatG idF.